Die lyrische Sopranistin Daniela Stoll lebt in der Schweiz und hat ihre Wurzeln in Schaffhausen. Sie schloss ihr Studium bei Prof. Rachel Harnisch an der Hochschule der Künste Bern mit Auszeichnung ab. Meisterkurse besuchte sie bei Vesselina Kasarova, Helmuth Deutsch, Capucine Chiaudani und Jennifer Larmore.
Höhepunkte ihres Konzertschaffens waren Auftritte an der National Opera of Ukraine, Kiew, dem Kulturcasino Bern, dem Musicaltheater Basel und kürzlich im Konzert- und Ballhaus «Neue Welt», wo sie Mahlers 2. Sinfonie sang.
Frau Stoll, wie bereiten Sie sich auf ein Konzert wie das der OBB vor? Ist der Ablauf immer gleich?
Im Grunde ist der Ablauf immer derselbe, nur der Vorlauf ist je nach Anlass und Repertoire länger oder kürzer. Ich besorge mir die Musiknoten, lese den Text und übersetze ihn, suche mir gegebenenfalls Hilfe zum Beispiel bei einer Muttersprachlerin. Zuerst der Text, dann die Musik. Wenn ich weiss, dass ich mit einem Orchester spiele, achte ich noch genauer auf die rhythmische Struktur, denn ein Orchester ist viel weniger flexibel als ein Pianist oder eine Pianistin. Ausserdem übe ich die Stücke absichtlich in langsamem Tempo – wer weiss, ob es die Person am Dirigierpult gerne gemütlich nimmt? Schneller geht immer.
Worauf freuen Sie sich am meisten beim Weihnachtskonzert der OBB?
Am meisten freue ich mich auf die Arie «An den Mond» von Antonín Dvorák. Es ist eine bezaubernde Arie, die ich mir sehr schön vorstelle mit Brass. Es ist überhaupt eine besondere Freude, mit Blasmusikinstrumenten zu spielen. Wir sind sehr ähnlich, verstehen uns intuitiv – am Ende geht es bei uns immer um den Atem.
Was ist das Besondere an solchen Weihnachtskonzerten?
Es ist der mystische Zauber, der solche Weihnachtskonzerte umgibt. Wir kommen zusammen in dieser dunklen Jahreszeit, erhellt von Musik und Lichtern. Wir gewähren uns einen Moment der Ruhe am Ende des Jahreszyklus.
Wie dürfen wir uns die Stunden und Minuten vor einem Ihrer Auftritte vorstellen?
Die Stunden vor dem Konzert verfalle ich in einen «Energiesparmodus», meditiere, singe mich ein, trinke Ingwersaft und schweige. Dann, wenige Minuten vor dem Auftritt, beginnt das Herz schneller zu schlagen und der Körper wird vollgepumpt mit Adrenalin – ein paar tiefe Atemzüge und dann: Showtime!
Wie viel Zeit verbringen Sie pro Woche mit Singen?
Ich versuche, nicht mehr als 2 Stunden pro Tag an 6 Tagen der Woche zu singen, was mir nicht immer gelingt. Die restliche Zeit verbringe ich mit dem stummen Studieren von Repertoire, Körperarbeit, Marketing und Administration. Letzteres wird häufig unterschätzt – bei Freelancern geht sehr viel Zeit drauf für Selbstmanagement.
Was waren die Höhepunkte, die schönsten Erlebnisse Ihrer bisherigen Karriere?
Mir fällt als erstes ein Konzert der 2. Sinfonie Mahlers ein, die Auferstehungssinfonie. Wir spielten es unter anderem im Konzert- und Ballhaus «Neue Welt» in Zwickau. Da war ein riesiges Orchester, zwei Chöre, eine wunderbare Mezzosopranistin, die mit mir sang. Als wir den Schlusschor gemeinsam sangen und spielten, veränderte sich etwas in der Luft. Danach sah ich Tränen in den Augen des Publikums und der Kolleginnen und Kollegen. Solch transzendente Momente sind das Beste am Musikerdasein.